Wuotesheer (Geisterheer) in Oberschwaben

An verschiedenen Ortschaften in Oberschwaben gibt es die Legende vom Wuotesheer. Hier seien einige Geschichten davon erwähnt.

Bei Bad Saulgau, bei Messkirch, bei Albers, bei Aitrach oder bei Überlingen gab es Sichtungen des Wuotesheer. Zuweilen wird es auch Muetesheer genannt. Der alte schwäbische Begriff meint ein sogenanntes “Wildes Heer” oder “Wütendes Heer”, bestehend aus Geistern, die durch die Lüfte ziehen. Wuota, also rumwüten, ist als Wort vielleicht noch ein Begriff.

Wuotesheer

Wuotesheer bei Saulgau

Im Frankenbuch, einem Wald zwischen Wilfertsweiler und Schwarzenbach in der Nähe von Bad Saulgau, konnte man es des Öfteren hören – das Wuotesheer. An heiligen Tagen wie Allerseelen (2. November), Allerheiligen (1. November), Ostern, Pfingsten und Weihnachten klingt es an. Es beginnt mit schöner Musik, die immer lauter wurde. Dann wurden Rufe hörbar, die eine Warnung darstellten. “Ausm Wäg!” oder “Flag die na!” (Leg Dich nieder) klang durch die Luft. Aus der Musik wurde ein Gerassel, ähnlich eines Sturms. Die Geräusche klangen, als würde ein Wald zusammenbrechen. Doch es gab keinerlei Zerstörung, wenn man tags drauf im Wald nachschaute. Wenn man vom Wuotesheer überrascht wird, so muss man sich quer auf den Weg mit der rechten Körperseite legen und die Arme kreuzen.

Wuotesheer bei Messkirch

In einer Herbstnacht des Jahres 1550 zog das Wuotesheer bei Messkirch vorbei. Genauer zog es mit großem Lärm vom Banholz über die Ablach, und zwar um 22 Uhr. Es kam die Herdgasse herauf und zog über die Ablachbrücke in Richtung Bach, den Katzensteig hinauf. Es waren wunderliche Geräusche, lautes Schreien und Klappern zu hören. Es war so laut, dass es die Wächter auf dem Turm in Messkirch hörten. Auch andere in der Stadt konnten es vernehmen, aber nicht sehen.

Es zog nach Herdlin, an Rohrdorf vorbei ins Hardt. Es zog in der Nacht vom alten Burgstall wie ein Sturm nach Veringen an der Lauchert. Als es zwölf Uhr schlug, wollte der Nachwächter Hans Dröscher die Stunde verkünden. Da kam ein “Mano!” vom alten Schloss herabgeschrien: Mano!

Dem Wächter wurde ganz anders, da kann doch niemand sein, woher kommt das Schreien? Immer mehr wurde ihm klar, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Er schaute sich um und plötzlich war da ein Mann in der Uniform eines Kriegers. Der Kopf war ihm gespalten worden und beide Teile hingen bis zur Schulter herab.

Der Krieger mit dem gespaltenen Schädel bat den Wächter, der starr vor Angst war, ihm den Kopf zusammenzubinden, sodass er seinem Gefolge hinterher eilen könne. Der Wächter konnte nur langsam reagieren und schlug vor, einen Babier zu holen. Doch der andere Wächter, der zu der Szenerie stieß, stupste Dröscher an, er möge es doch tun.

Als er den Kopf des Geistes zusammenband, erzählte dieser, dass er in Veringen geboren wurde und ihm im Krieg der Kopf gespalten worden sei. Nun gehöre er zum Wuotesheer. Als der Kopf wieder eine Einheit war, dankte ihm der Geist und beschwor, er solle ihm nicht nachsehen, sonst würde es ihm nicht gut ergehen.

Es ist unbekannt, ob der Wächter ihm hinter her blickte. Dröscher ging heim und wurde krank. Doch der Wächter überlebte und fristete seine Tage in Veringen.

Muetesheer bei Albers

Auch ein Bauer bei Albers bei Bad Wurzach hatte eine Begegnung mit dem Geisterheer. Am Sommerjohanni (24. Juni) öffnete der Bauer seine Fensterläden vor dem Zubettgehen, steckte seinen Kopf hinaus, um sich nach dem Wetter zu erkundigen. Da hörte er in der Luft ein wildes Geschrei und ein alles durchdringendes grelles Pfeifen. Es raste in einer Linie auf das Dorf zu – das Muetesheer auf nächtlicher Reise.

Es zog hinter Albers herum und pfiff durch die Bühne des Bauernhauses. Die Türen zu den Zimmern der Knechte sprangen auf und jagte die Burschen aus den Betten. Kissen und Decken wirbelten hoch und das Wuotesheer zog durch das Giebelfenster in den Hof. Es stoppte aber nicht, es zog über den Winterösch hin und den Berg hinaus.

Dort wurde ein Spaziergänger vom Muetesheer überrascht. Er hörte es und warf sich auf den Boden. Die Arme verschränkte er überkreuz auf der Brust, sodass ihm das Heer nichts antun konnte.

Am anderen Morgen konnte man eine Schneise erkennen, die das Muetesheer hinterließ. Die Spur führte vom Hof über die Wiesen und Felder den Berg hinauf. Es wirkte wie eine neue Straße mit abgehauenen Ästen.

Auch ein Hirtenjunge hörte das Heer im Wurzacher Ried. Er berichtete von einem Klang, als wären Hunderte Kuhglocken in der Luft und läuteten. Dann kam eine schöne Musik auf, was von Johlen, Schreien und Pfeifen übertüncht wurde.

Wuotesheer bei Aitrach

Es waren gleich einige Bauern Zeugen des Wuotesheer bei Aitrach vor einigen Jahrhunderten. Sie beobachtenden vom Dorf bei Mooshausen ein geisterhaftes Kriegsheer, das durch die Lüfte zog. Es waren Schlachtrufe, Säbelrasseln und ein Toben zu hören.

Kurz nach der Beobachtung brach der große Krieg mit Napoleon aus. In Aitrach war man überzeugt, das Wuotesheer war ein Vorbote des sich näherenden Krieges.

Wuotesheer bei Überlingen

Das Wuotesheer, so war man in Überlingen überzeugt, besteht aus Kindern, die ohne getauft worden zu sein, aus der Welt schieden. Es seien böse Geister, die mit Lärm und Spektakel durch die Lüfte zogen. Sie lärmen mit Geheul oder lieblichem Gesang, manchmal mit Schweinegrunzen oder auch Jammern und Weinen. In der Adventszeit bis Neujahr wurden sie zwischen Weildorf und Frickingen gesehen. Doch die meiste Gewalt hatten sie in der Fastenzeit.

Wenn man ihnen begegnet, muss man sich auf den Boden werfen und die Arme seitwärts gerade ausstrecken, sodass der Körper ein Kreuz darstellt. Oder man legt sich über die Straße, sonst wird man vom Wuotesheer erfasst und mitgerissen. Immer wieder kam es vor, dass die bösen Geister sich einzelnen Wanderern zuwandten, die sich hinlegen mussten. Wer das nicht glaubte, wurde krank. Aber wer auf einer Kreuzstraße vom Wuotesheer überrascht wurde, dem konnte es nichts anhaben.

Am 15. Juni 1538, so eine weitere Legende, gingen vier Männer des abends von Salem nach Birnau. Als sie auf einem Kreuzweg ankamen, ging ein Vater mit seinem Sohn voraus. Da ertönte ein Getöse und Getümmel, Schreien und Johlen, als wäre ein Wuotesheer im Anflug. Im Wald sah man Männer mit Roß und Wagen, Spießen und Stangen. Sie schrien: “Oh wehe, oh Wehe! Drauf! Ho, ho, ho! Duri, Duri Duri! Aber das Oh Wehe übertönte die anderen Klänge.

Der böse Geist und ein schwarzer Kaspar holten sich eine Kindbetterin (Frau kurz nach der Geburt) aus ihrem Bett. Der Turmwächter beobachtete, wie sie auf den Bodensee hinausgetragen wurde und am frühen Morgen vor ihrem Haus tot im Graben fallen gelassen wurde. Es war zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges.

Eine weitere Sage erzählt vom Wuotesheer und dem Adelsmann zur Zeit des römischen Königs Albrecht (13. Jahrhundert). Der Ritter war ein Raubritter, ein Schnapphahn, wie man damals sagte und er hieß Schreiber. Er wurde vom Wuotesheer vor einem Feind gewarnt. Aus lauter Angst entschloss er sich, beim Abt von Salmansweiler taufen zu lassen, und zur Sicherheit wurde er ein Laienbruder. Noch während er mit dem Abt verhandelte, kam sein Feind ins Kloster und sah des Schreibers Pferd im Stall. Als Schreiber das Kloster verließ und voller Zuversicht war, wurde er von seinem Feind erstochen, sodass er wenige Tage später mit Reue und ganz christlich gestorben war.

Zur Einordnung

Schon zur Zeiten der Kelten und Germanen, gab es Berichte über fliegende Krieger. Ein Symbol für die Anderwelt, das Jenseits. So gibt es die keltische Geschichte, dass eine Jagdgesellschaft auf einem Schiff durch die Lüfte zog. Ein Speer flog hernieder und der hinterher eilende Krieger wurde festgehalten. Er soll gerufen haben: Lasst mich los, sonst ertrinke ich.

Dass die Berichte im ausgehenden Mittelalter so zahlreich auftreten, hat mit der großen Ungewissheit der damaligen Menschen zu tun. Damals blühte auch der Hexenwahn.

Die Geschichten wurden der herrschenden Religion angepasst und man konnte sich mit den gekreuzten Armen oder an einer Kreuzung – dem Symbol des Christentums – dagegen verwehren. Die Tage, an denen das Wuotesheer zu hören ist, verweist noch auf die antiken Vorbilder – wie dem, was heute Halloween genannt wird. Bei den Kelten war Halloween der Jahreswechsel und man konnte Geistern begegnen oder in Zeitlöcher oder gar die Anderswelt übertreten.

In anderen Legenden besteht das Wuotesheer aus gefallenen Kriegern, die wieder erweckt wurden, um weiter zu kämpfen. In der Edda bei den Germanen gibt es derartige Anleihen. Darüber hinaus ist der Wind- und Seelengott der Germanen, Wode, darin zu sehen. Da es immer mit Wind auftritt und tote Seelen beheimatet, ist diese Erklärung vielleicht die nahe liegendste. Dem Wuotesheer ist vielleicht auch der Mythos der Walküren zuzurechen, die über die Schlacht ziehen und die Seelen der Krieger sammeln, die es würdig sind, nach Wallhalla zu kommen.

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