Der Fluch der schwäbischen Herzöge – Die Ungarneinfälle & Schwabens Zerstörung: Teil II
Davon, dass die Herzöge von Schwaben meist glücklos blieben, zeugt auch die Zeit der Regentschaft des Königs Otto I. Der Gründer der ottonischen Dynastie hatte starken Einfluss auf das Herzogtum Schwaben. Dennoch probte der Sohn den Aufstand gegen den Vater, denn abermals ist der Herzog von Schwaben der Macht verfallen. So sehr, dass er sogar mit dem ‘Teufel’ paktiert. Schwaben erlitt bei den Machtspielen schwere Verwüstungen und erholte sich nur langsam davon. Der Fluch der schwäbischen Herzöge erreicht eine neue Generation.
Die Anfänge des Herzogtums Schwaben waren von Blut, Macht und Intrigen geprägt. Zwei Familien kämpften mit harten Bandagen um den Titel als Herzog. Beide traten den Titel an und beide verloren dadurch ihr Leben. Der König sprach ein tödliches Machtwort. Zwar war das Herzogtum Schwaben nun erschaffen, doch weist es eine Besonderheit im Reich auf. Wir befinden uns im 10. Jahrhundert, in welchem das Reiterheer der Ungarn Leid und Zerstörung über Schwaben brachte und schreiend tiefe Narben hinterließ, deren Nachhall bis heute andauert. Und erneut spielten Macht, Krieg und Intrigen eine entscheidende Rolle.
Herzog von Schwaben, Burchard II, ein neuer Anlauf der Burchardinger
Nun sah der Markgraf von Rätien, Burchard II, seine Zeit gekommen. Wo sein Vater, Burchard I, versagte, wollte er obsiegen. Während der König Konrad I langsam dahin siechte, erklärte sich Burchard II im Jahr 917 zum Herzog des Herzogtums Schwaben. Der schwächelnde König konnte nichts dagegen unternehmen. So blieb er auch Herzog, als der König im Jahr 918 starb.
Noch auf dem Totenbett soll der König seinen Nachfolger bestimmt haben: Heinrich von Sachsen. Das war ein gut lanciertes Gerücht, wovon man eine Legitimität ableiten konnte. Die Wahrheit lag wohl in einem diplomatischen Geschick, das Heinrich von Sachsen durchaus vorwies. Am süddeutschen Adel vorbei gab es eine Allianz mit dem Franken, die sich das mit Besitzungen entlohnen ließen. Die Herzöge von Bayern und Schwaben durchschauten das Vorgehen. Sie votierten nicht für Heinrich als König, sondern stellten einen Gegenkandidaten auf: Arnulf von Bayern. Erneut glänzte Heinrich mit Diplomatie. Er ließ sich nicht offiziell krönen und, was ebenfalls gut in Schwaben und Bayern ankam, er distanzierte sich von der Kirche. Die Bindung, wie sie sein Vorgänger Konrad I hatte, war passé. Doch die Frage nach der Macht im Reich war damit noch nicht abgeschlossen. Weiterhin erkannten die Herzöge von Bayern und Schwaben den König nicht an.
In der Sitte der Zeit musste dann das Heer ran. Der Herzog von Schwaben, Burchard II, war im Jahr 919 gerade mitten in einem Krieg mit dem Herzog von Hochburgund, das damals in der Westschweiz lag. Da Burchards Besitzungen durch Konrad aberkannt waren, griff sich der Hochburgunder Rudolf II diese Ländereien. Es war klar, dass Burchard II mit seinem Heer dagegen vorging. Die Gebundenheit Burchards Heer in der heutigen Schweiz nutzte Heinrich von Sachsen aus und zog gegen den schwäbischen Herzog ins Feld. Ein Zweifrontenkrieg konnte Burchard II nicht gewinnen, also gab er dem König nach und akzeptierte Heinrich als König im Ostfränkischen Reich. Im Gegenzug erklärte Heinrich den selbst ernannten Herzog offiziell zum Herzog von Schwaben. Heinrichs Heer zog ab und Burchard II brachte dem Hochburgunder eine entscheidende Niederlage bei. Rudolf II von Hochburgund musste Thur- und Zürichgau an den schwäbischen Herzog abtreten. Zur Absicherung des Friedens vermählte Burchard II seine Schwester Bertha mit dem inzwischen zum König von Hochburgund avancierten Rudolf II.
Das Expansionsbegehr von Rudolf II war aber weiterhin ungebrochen. So drehte er sich nach Süden und führte dort Krieg, wobei ihm sein Schwiegervater militärisch beistand. In der Schlacht bei Novara im Jahr 926 fand der Herzog von Schwaben den Tod. Die Geistlichen in Schwaben übten mit dem Nachruf des Herzogs Rache an ihm. Sie bezichtigten ihn der Kirchenschändung, des Kirchenraubs. Das Vorgehen hatte Tradition. Schon Karl Martell (der Ur-Karolinger) wurde derart von den Geistlichen geschmäht.
Mit der Vergabe des Herzogtums Schwaben durch den König hatte sich eine schwäbische Besonderheit eingestellt. Der Herzog von Schwaben wurde vom König erwählt. Allerdings, das gebot die Idee des vererbten Adels, mussten künftige Aspiranten einen entsprechenden Stammbaum aufweisen. Das lässt sich selbstverständlich mit einer Heirat einrichten. Diese Melange aus Erbfolge und royaler Vergabepraxis blieb dem Herzogtum Schwaben bis zu seinem Ende, das es 350 Jahre später ereilte, anhaften. Auf kein anderes Herzogtum, ausgeschlossen das eigene, hatte ein König so viel Einfluss.
Hermann I: Herzog des zerstörten Schwabens
Das Jahr 926 war für das Herzogtum Schwaben eine schmerzliche Zeit. Erst verstarb der Herzog Burchard II, dann fielen die Ungarn wieder ein. Heinrich von Sachsen agierte äußerst trickreich. Er nahm den Fürsten der Magyaren (Ungarn) gefangen und handelte einen Frieden aus. Daraufhin zogen die Ungarn nach Süddeutschland.
Das Heer Schwabens war in Italien gebunden, wo auch der Herzog starb. Das Land war ohne Militär schutzlos. So hatten die Ungarn freie Hand, was mit Brandschatzungen und Plünderungen einherging. Sie stürmten Augsburg, sie plünderten das Kloster St. Gallen oder beispielsweise den Damenstift von Buchau. Die ländliche Bevölkerung, die keine Mauern oder Waffen zu Verteidigung hatte, war dem Reiterheer gänzlich ausgeliefert. Viele Dörfer wurden in diesem tragischen Jahr 926 verwüstet, viele Menschen abgeschlachtet und Leid lag wie ein Nebel über dem Land. Schwaben war ein zerstörtes Herzogtum. Die Angst vor den Ungarn manifestierte sich beispielsweise in den sogenannten Hunnenbergen und -Hügeln. Nicht zum ersten Mal dienten solche Anhöhe in Schwaben dem einfachen Volk als Wachturm und Frühwarnsystem vor dem ungarischen Heer. Letztlich konnte man sie sich mit Tributzahlungen vom Hals schaffen.
Als sich der Rauch verzogen hatte, stand eine Frage groß im Raum: Wer würde der neue Herzog werden. Abermals liefen sich verschiedene Adelige warm, das Amt anzutreten. Der Sohn von Burchard II, Burchard III, lag auf der Hand. Aber Burchard III war just zehn Jahre alt.
Heinrich von Sachsen bewies erneut seine Raffinesse. Auf dem Reichstag 926 in Worms beschloss man den Ausbau der Burgen gegen die Ungarn und der König erklärte seinen Verwandten Hermann I aus dem Geschlecht der Konradiner zum Herzog von Schwaben. Der vom Grafen zum Herzogen erhöhte Hermann I wurde anschließend mit der Witwe Burchards II, Regelinda, verheiratet, was den Vorgang legitimierte.
Mit diesem Schritt verdeutlichte der König auch, dass es seine Aufgabe war, die Herzöge zu ernennen und der Adel sich ihm unterordnen müsse. Als Ausgleich machte der König einige Zugeständnisse. Der neue Herzog von Schwaben, Hermann I, lag jedoch an der kurzen Leine des Königs. Er war ein Herzog von Königsgnaden.
Die Verwüstungen der ungarischen Truppen im Herzogtum Schwaben waren derart massiv, dass es Jahrzehnte dauerte, bis sich auch die Bevölkerung wieder erholte. Einzig die geografische Lage und damit die strategische Bedeutung mit dem Zugang zu den Alpenpässen machte Schwaben interessant.
Im Jahr 936 starb Heinrich von Sachsen und ein neuer König ward gesucht. Auch mit der Stimme von Hermann I erhebt sich Otto I zum deutschen König. Bei der Hochzeit dienten die Herzöge als Hofgesellschaft, was symbolischer Natur war. Hermann I von Schwaben wurde Mundschenk.
Doch die Zeit der Krise schien sich gerade erst richtig zu entfachen. Wieder drangen die Ungarn ein und in Sachsen erhob sich 938 ein Aufstand. Derweil integrierte Ottos Bruder gegen Otto I.
Ein loyaler Vasall war da der Herzog von Schwaben, der Otto I militärisch beistand. In der Schlacht zwischen dem Herzog von Schwaben mit dem Bündnis Giselbert von Lothringen und Eberhard von Franken errang Hermann I von Schwaben einen Sieg. Eberhard fiel in der Schlacht. Gieselbert konnte fliehen, ertrank aber im Rhein. Erneut wurden mit Heirat und Verwandtschaftsbeziehungen die Wogen geglättet und es wurden Karrieren gestartet. Herzog Hermanns Tochter Ida heiratete den Sohn des Königs Otto I, Liudolf, Mit dieser Stammlinie war Luidolf der geeignete Anwärter für den Herzogstitel, den er auch erhalten würde. Aber der Fluch würde wieder zuschlagen.
Herzog Liudolf von Schwaben: Rebellischer Sohn
Tatsächlich wird der in Magdeburg Erstgeborene Ottos, Liudolf, auf dem Reichstag zu Worms im Jahr 950 zum Herzog von Schwaben ernannt. Im vorangegangenen Dezember verstarb Hermann I und gab den schwäbischen Herzogstitel frei.
Durch verwandtschaftliche Implikationen zog der neue Herzog von Schwaben 951 aus, um in Italien Krieg zu führen. Was er genau bezweckte, ist verworren und nicht unbedingt einsichtig. Doch Italien war inzwischen zum erklärten Ausbreitungsgebiet der Bayern geworden und dort sah man den Vorgang äußerst kritisch. Der bayrische Herzog warnte die italienischen Adligen vor Liudolf. Inzwischen rückte Otto I deswegen gegen ihn vor. Der König hatte denn auch keine Ahnung, wieso sein Sohn und schwäbischer Herzog überhaupt ausrückte. Aber offenbar war er darüber nicht erfreut. Zu einer Schlacht zwischen dem Sohn und dem Vater wollte es Liudolf nicht kommen lassen.
Wo Otto I aber gerade in Italien war, machte er sich ohne eine Schlacht zum König von Italien – natürlich durch eine Heirat. Otto I, dessen Frau gestorben war, vermählte sich mit der Witwe des italienischen Königs, Adelheid, die zu genau diesem Zweck von einem anderen Adeligen gefangen gehalten wurde. König Otto I rettete sie aus der misslichen Lage. Adelheid, vielleicht aus Dank, heiratete Otto I.
Liudolf musste seine Macht am Hof des Königs stärken und möglichst den Einfluss des bayrischen Herzogs schwächen. Die Lösung sollte ein Fest in einer königlichen Residenz bringen. Der Ort wurde ausgewählt, damit alle sehen konnten, er ist des Königs erbgeborener Sohn und damit in der Hierarchie über Heinrich von Bayern stehend. So feierte er das Weihnachtsfest 951 mit königlichem Pomp, was sich nur des Königs geziemte – obwohl er einem historischen Vorbild folgte. Doch es brachte nicht den gewünschten Effekt. Im Gegenteil. Der König war nicht erfreut darüber.
Und es kam noch schlimmer für Liudolf. Aus der Verbindung zwischen Otto I und Adelheit erwuchsen Nachkommen, die dem Erstgeborenen das Erbe streitig machen konnten. Im Jahr 952 gebar Adelheit einen männlichen Erben – einen neuen Erstgeborenen.
Gekränkter Liudolf paktiert mit dem „Teufel“
Im Jahr 953 spitzte sich die Sache zu. Zusammen mit dem Mann seiner Schwester, Herzog Konrad von Lothringen, zog Liudolf im März gegen Mainz und belagerte es. Offiziell sollte sich dieser Krieg nicht gegen Otto I wenden, sondern Heinrich von Bayern treffen. Es wurde ein Vertrag geschlossen, der nicht überliefert ist. Es handelte sich wohl um Erbrechte.
Otto I annullierte den Vertrag und belagerte seinen Sohn Liudolf in Mainz über mehrere Wochen. Hätte Liudolf ihm die Mitverschwörer ausgeliefert, hätte der König ihn ziehen lassen. Doch Liudolf lehnte ab. Konrad von Lothringen ergab sich, aber Liudolf entkam nach Regensburg, wo er abermals vom Vater belagert wurde. Otto musste zum Jahresende schließlich abziehen. Im Jahr 954 verstand Liudolfs Verbündeter Konrad, dass es Liudolf nicht um Heinrich ging, sondern dass er seinen Vater stürzen wollte – den König zu entthronen bedeutete Hochverrat. Damit würde auch Konrad sein Herzogtum verlieren. Derweil erlitt Liudolf eine Niederlage durch den Bischof Ulrich von Augsburg.
Die Zeiten für Liudolf waren düster. Also paktierte er mit dem ‚Teufel‘. Vermutlich, um seinem Vater zu schaden, verbündete sich Liudolf von Schwaben mit den Ungarn. Bayern sollte verschont bleiben. Womöglich wollte er Heinrich den Schwarzen Peter damit zuschieben. Die Ungarn drangen tief ins Reich ein. Des Königs Antwort war das Heer. Er erhielt Beistand durch den bayrischen Herzog Heinrich. Am 16. Juni 954 standen sich die Heere des Vaters und des Sohns gegenüber. Alle warfen sich gegenseitig vor, die Ungarn ins Land gelassen zu haben. Doch der Verdacht gegen Liudolf stand im Raum, was ihm viel Unterstützung kostete. Die Schlacht war nicht zu gewinnen, also floh er erneut nach Regensburg, obwohl er dieses Mal nicht mal seine Mitverschwörer nennen sollte. Heinrich aus Bayern belagerte ihn über Monate. Die Belagerung einer Stadt konnte sich lange hinziehen, also machte er kurzen Prozess. Heinrich setzte die Stadt in Brand, doch Liudolf entwischte erneut und suchte seinen Vater bei der Jagd in der Nähe von Blankenhain auf, wo er sich ihm unterwarf.
Das glücklose Manöver gegen den väterlichen König ging als Liudolfinischer Aufstand in die Geschichte ein. Liudolf verlor das Herzogtum Schwaben, blieb aber nicht mittellos zurück. Liudolf starb im Jahr 957 während eines Feldzugs seines Vaters in Italien. Er überlebte seinen Intimfeind, Heinrich von Bayern, um zwei Jahre.
Noch zwei weitere Male wird das Herzogtum Schwaben Schauplatz von Kämpfen zwischen Vätern und Söhnen. Wieder wird es Aufstände geben, erneut spielen die Beteiligten mit harten Bandagen.