Konstanzer Bischofsfehde & der erste Schießpulvereinsatz im HRR
Der lange Weg des Schwarzpulvers nach Europa begann in China und fand sein militärisches Debüt im Heiligen Römischen Reich des 14. Jahrhunderts am Bodensee. Bei dieser Auseinandersetzung ging es um die Belagerung der Stadt Meersburg während des Bischofskriegs zweier Konkurrenten: Nikolaus von Frauenfeld vs Albert II. von Hohenberg.
Heute ist die Waffenindustrie vielzählig am Bodensee vertreten. Das hat vermutlich wenig damit zu tun, dass sich dort der erste Einsatz des Schwarzpulvers auf dem Gebiet des deutschen Königreichs ereignete. Aber wie kam es dazu?
Schwarzpulver auf dem Weg nach Oberschwaben
Das Schwarzpulver wurde in China erfunden und fand seinen Weg nach Europa, wo man das Potenzial als Waffe schätzte. Dabei war der psychologische Effekt zu Beginn der Entwicklung womöglich größer, als der tatsächlich erwirkte Schaden. Doch die Technik wurde verbessert. Im 15. Jahrhundert veränderte die Artillerie die Kriegsführung und trug gleichsam zum Epochenwandel bei. Der schwäbische Hohenzollern Graf, Friedrich VI, befriedete mit Kanonen die Mark Brandenburg und begründete als Kurfürst die preußische Dynastie. Im vorherigen Jahrhundert kam die Waffe auf dem Kontinent Europa erstmals zum Einsatz.
Die erste Erwähnung des aus Fernost stammenden Pulvers nahm der Mönch Roger Bacon 1267 vor. Der nächste Hinweis auf das Schießpulver erscheint in einem Manuskript des Jahres 1326. Nach dessen Einsatz bei der Belagerung der ostitalienischen Stadt Cividale durch deutsche Ritter fünf Jahre später, tauchte die Waffe im Jahr 1334 am Bodensee auf. Die erste Fertigung auf deutschem Boden erfolgte 27 Jahre danach in Erfurt.
Wer wird Bischof von Konstanz: Nikolaus von Frauenfeld vs Albert II. von Hohenberg
Das Bistum Konstanz war wohl eines der bedeutendsten seiner Art im deutschsprachigen Raum. Seine frühe Gründung im 6. Jahrhundert auf den Grundfesten eines römischen Kastells verlieh ihm einen Hauch des Römischen Reichs, in dessen Tradition sich das deutsche Königreich immer sah. Daher auch der Name Heiliges Römisches Reich – in Anlehnung an das antike Rom.
Der König Ludwig IV. aus dem Haus der Wittelsbacher (Bayern) war von den italienischen Feldzügen nach Bayern zurückgekommen, um sein Territorium zu erweitern. Sein Sohn war übrigens vorübergehend und wenig ambitioniert der Kurfürst von Brandenburg. Ludwig hatte sich wie viele Herrscher seiner Zeit mit dem Papst gestritten, wer denn höher stehe. Eine beliebte Reaktion des Papsts war auch hier der Kirchenbann, also die Exkommunikation. Ohne Kirche, kein Zugang zu Gott, kein ewiges Leben im Himmel – so die hier stark vereinfachte Vorstellung jener Zeit. Die Gründe für den Kirchenbann hatten indirekt auch mit dieser Bischofswahl zu tun. Ludwig verstarb unter diesem Kirchenbann 1347. Der Disput drehte sich vorrangig um den Kirchenklüngel und die Frage, ob Kirche oder Adel die höchste Macht darstellt.
Ludwig wollte denn den Einfluss der Kirche zurückdrängen. Dieser Streit eskalierte als sogenannter Investiturstreit in den zurückliegenden Jahrhunderten, der mit einem kirchlichen Sieg endete. Und die Frage nach Macht polarisierte auch die Zeitgenoss*innen des 14. Jahrhunderts, wobei die einfachen Leute zuvorderst das wohlhabende Treiben der Geistlichen kritisierten. Sie schöpften trotz Armutsgelübde aus den Vollen.
Der Papst hingegen wollte den säkularen Adel unter sich sehen. Für diesen Machtkampf brauchte er Verbündete in hohen Positionen. Das renommierte Bistum in Konstanz war ein solch hoher Posten. Damit waren hohe Würden und ein luxuriöses Leben voller Macht verbunden.
Im Jahr 1333 wurde der Bischofsposten vakant. Zwei Kandidaten haben sich dafür in Stellung gebracht. Nikolaus von Frauenfeld konnte auf den Papst als Verbündeten zählen, der sich für ihn einsetzte. Sein Widersacher war Albert II von Hohenberg, der den Kaiser auf seiner Seite wusste.
Nikolaus war Kirchherr im Breisgau, in Windisch und im Thurgau. Er studierte in Bologne und gehörte seit 1311 dem Chor des Klosters Embrach an, wo er sich später zum Probst erhob. Bereits 1312 gehörte er als Domherr zur Leitung des Konstanzer Münsters. 1324 avancierte er zum Gesandten und stieg die mittelalterliche Karriereleiter als Päpstlicher Kaplan auf. 1331 wollte er sich erfolglos zum Bischof von Augsburg wählen lassen. Daher setzte er im Jahr 1333 auf das Bistum Konstanz.
Sein Widersacher war Albert II. von Hohenberg, der rund 15 Jahre jünger war. Albert war von hohem Adel und verfügte über Beziehungen zum Königshof. Das Haus Hohenberg sollte im vorherigen Jahrhundert den Habsburgern helfen, das Herzogtum Schwaben wieder zu erheben. Der Nachkomme Albert hatte ein festes Ziel: Er wollte Bischof von Konstanz werden. Woher seine Ambitionen kamen, ist mir nicht offenbar geworden. Womöglich spielte sein Werdegang dabei eine Rolle. Albert war einige Jahre an der Domschule in Konstanz, erhob sich dort zum Domherrn und studierte in an der Sorbonne in Paris Kirchenrecht.
Die Entscheidung über den künftigen Bischof trafen die Domherren im Domkapitel, allesamt privilegierte Geistliche. Sie waren nicht selten durch Einfluss und Verwandtschaft auf diesen Posten gekommen. Diese Domherren wählten nicht nach Eignung für das Amt, sondern sie wurden mit Versprechungen und Pfründen gekauft. Wie sich über 20 Jahre nach dieser Geschichte herausstellte, waren sie auch bereit zu morden, um das korrupte System zu verteidigen.
Im Jahr 1333 gaben die Domherren ihr Votum ab und der Mann des Papstes, Nikolaus von Frauenfeld, gewann. Die Enttäuschung auf Alberts Seite saß tief. Und wie es im Mittelalter Tradition war, brachte man seinen Willen militärisch bei. Denn Gott, das war schon in der Antike so, ist immer auf der Seite des Gewinners. Und so wurde eine der unzähligen Fehden des Mittelalters ausgesprochen. Die Beteiligung von Bischöfen an Kriegen war nichts Ungewöhnliches. In dieser Bischofsfehde beanspruchten die zwei Männer den Konstanzer Stuhl für sich.
Reichsheer mit Schießpulverwaffen vor Meersburg
Das Reichsheer rückte an, aber nicht nach Konstanz, sondern nach Meersburg. Der Bischof von Konstanz floh in die Stadt, die bald zur regulären Residenzstadt der Bischöfe von Konstanz werden würde. Der Status als Residenzstadt verhinderte die Selbstbestimmung der Bürger, was im 15. Jahrhundert zu einem weiteren Krieg führte: den Kämpfen der Meersburger Bürger um das Stadtrecht. Der designierte Bischofsanwärter im Jahr 1334, Nikolaus von Frauenfeld, suchte Schutz auf der (Alten) Burg der Stadt Meersburg, die gut gesichert war.
Das kriegserfahrene Reichsheer marschierte im Mai vor den Toren von Konstanz auf. Sie führten die neuen Waffen, die mit Schießpulver funktionieren, mit sich. Die Geschütze waren kaum treffsicher und konnten nicht weit schießen. Aber sie waren extrem laut und warfen Steine durch die Luft, sodass der Effekt der Unterminierung der Moral nicht zu verachten war.
Über Monate versuchte der Kaiser Meersburg zu erobern, doch blieb die Belagerung erfolglos. Die Gräben waren zu ausgedehnt und es gab kein Rankommen. Qua Vermittlung durch Herzog Otto von Österreich wurde die Belagerung von Meersburg im August beendet. Das Reichsheer zog ab, eine Demütigung für den Kaiser.
Bischof Nikolaus von Frauenfeld als Chef des Klüngels
Der Bischof, Nikolaus von Frauenfeld, hatte gewonnen. Im Jahr 1335 wurde Nikolaus von Frauenfeld zum Bischof geweiht. Aber Albert würde es wieder versuchen. Die Gewinner dieser Schlacht waren die Habsburger, die ihre Macht ausbauen konnten. Ein Jahrhundert später würde die neue Waffentechnik die Burgen allmählich obsolet machen.
Der Papst jedoch residierte schon seit 1306 in Avignon, weil er ein Papst von französischen Gnaden war. Derart konnte von Überparteilichkeit keine Rede mehr sein. Die reine Vorteilsnahme regierte die Kirche – nicht nur hier, sondern überall – und das war auch den Menschen nicht entgangen. So gab es in Oberschwaben bereits im 14. Jahrhundert Aufruhr des Kirchenklüngels wegen.
Und auch der reiche Bischof von Konstanz, Nikolaus von Frauenfeld, war Teil dieses Systems. Das sorgte in Konstanz wie vielerorts für Unmut. An Konstanz aber statuierte man ein Exempel, als sich 1338 die Wut einen Weg bahnt. Und dieser Weg führt die wütenden Bürger, angeführt von zwei Rittern und zwei Priestern (womöglich auch Suso), direkt zum Bischof von Konstanz. Unverletzt blieb der Bischof nicht, als sie ihm habhaft wurden und ins Gefängnis warfen.
Dort blieb er allerdings nicht lange. Ganz Konstanz wurde exkommuniziert, was sich auch um den Kirchengelehrten Suso drehte, der der Häresie angeklagt wurde. Für die Konstanzer, die sich gegen den Papst stellten, bedeutete das der Verzicht auf Hochzeit oder Taufe. In einer gottesgefälligen Zeit, eine schwere Prüfung.
Im Jahr 1344 starb Nikolaus von Frauenfeld. Er bekam nicht mal ein eigenes Grab, sondern wurde in jenes seines Vorgängers gelegt.
Alberts Wille als Bischof
Albert wurde zum Trost in das Amt eines Reichslandvogts im Elsass befördert. Dennoch ließ er nicht locker und wechselte ins päpstliche Lager über, der ab 1342 Clemens VI hieß. Dennoch unterlag er 1344 als Nachfolger von Nikolaus von Frauenfeld. Erfolglos blieb auch der Versuch, das Würzburger Domkapitel von sich als Bischof zu überzeugen.
Um ihn endlich in Amt und Würden zu bringen, wurde er in Freising als Bischof ohne Wahl eingesetzt. Doch offenbar schlug sein Herz für den Konstanzer Bischofsstuhl, wo er zur Schule ging. Im Januar 1356 unternahm Albert einen letzten Versuch, sich auf den Bischofssitz von Konstanz zu setzen.
Der Nachfolger von Nikolaus von Frauenfeld war Johann III. aus bürgerlichem Haus. Er sollte zunächst Bischof von Aquileia werden, was nicht gelang. 1351 drückte ihn der Herzog Albrecht als Bischof von Konstanz durch. Er hatte gegen die Pfründenpolitik, die zwischenzeitlich zum Bistum gehörte, durchgegriffen und regierte mit harter Hand und einem Sparkurs. Wer sich dem widersetzte, wurde aus der Kirche ausgeschlossen oder verhaftet. Der Klüngel entledigte sich des unliebsamen Bischofs im Jahr 1356 mittels eines Attentats. Kaiser Karl IV verdächtigte die Prälaten des Mords.
Vor diesem Hintergrund bewarb sich erneut Albert II von Hohenfels als Bischof, doch scheiterte er an den nötigen Stimmen gegen Ulrich von Friedingen. Der Vorgang wurde zum Papst (seit 1352 Innozenz VI) getragen, der sich zugunsten eines Dritten: Heinrich III von Brandis entschied. Wenn zwei sich streiten, …
Albert II von Hohenberg kletterte in der mittelalterlichen Gesellschaft bis zum Hofkanzler hoch und war bis zuletzt als Bischof tätig. Später wurde er als Albert V in den Urkunden erwähnt, nicht nur als Zeuge auch als Stifter. Albert II von Hohenberg starb im Jahr 1359, 15 Jahre nach dem Konstanzer Bischof von Frauenfeld. Er wurde in Rottenburg am Neckar beigesetzt, gekennzeichnet mit einem gotischen Grabstein mit bischöflichem Wappen.