Lustiges Buch: Schwaberliner. Ein Schwabe in Berlin
Wer kennt nicht einen oder eine, die oder der nach Berlin gezogen ist? Für jene und alle anderen ist das Buch „Schwaberliner – Kehrwoche auf dem Alexanderplatz“ ein Must-Have. Schon allein wegen der vielen schwäbischen Erläuterungen. Jelacht homer! Was des Schwäbischen ist und was die Berliner*innen so ausmacht, ein vergnüglicher Vergleich der Regionen!
Einer der ersten, die nach Berlin übersiedelten, war der spätere Schwaberliner. Erst in Berlin, als der Schwabenhass dort seine Runden machte, kam das totgeglaubte Heimatgefühl zurück. Er war weder Schwabe noch Berliner, er war der Schwaberliner. Nach 30 Jahren geht der Blick nun zurück in die 90er Jahre, als der Exodus begann.
Von einem kleinen Dorf im Oberschwäbischen wurde er von Vater Staat berufen, seine Pflicht zu tun. Er wählte einen Dienstort bei Berlin. Wie dehnungsfähig der Passus jedoch ist, erkannte er vor Ort. Denn beschwerlich ist auch in Brandenburg der Weg ohne fahrbaren Untersatz. Der Unterschied war die Sprache und selbstverständlich behandelt das Buch dieses Thema ausgiebig. Dabei werden nicht nur schwäbische Ländlichkeiten aufs Tapet gebracht, nein auch das Preußische wird zur Erheiterung untersucht.
Hier schlaumeiert ein Schwabe, könnte ein weiterer Untertitel in dem Buch sein. Der Weg mit dem Umweg über den Zivildienst in Brandenburg ist von visuellen Misständen gepflastert. Mit den barocken Idyllen im Oberschwäbischen, muss das Auge den Brutalismus, garniert mit einigen Plattenbauten, ertragen. Der Beton der grauen Straße schlägt sich über dem schwäbischen Helden zusammen, denn so viele Leute auf einem Flecken ist neu. Der Kulturschock stellt die Eroberung der Partyhauptstadt etwas zurück und gibt den Blick auf ihre Beschaffenheit frei.
„Ich habe ja bereits erwähnt, welche visuellen Effekte sich einstellen, wenn man Berlin ertragen muss. Ich meine, es lässt sich kaum anders sagen, aber Berlin in den 90er Jahren und in weiten Teilen auch heute noch, ist einfach nur … Hässlich ist gar kein Ausdruck.“
Die Wörter müssen weise und vor allem, je nach Region, Hochdeutsch oder Schwäbisch gewählt werden. So zieht das Buch alle Register der schwäbischen Beleidigungen und Flüche heran. Der Seckel, der Sieach und das Mensch werden der preußischen Seele zugänglich gemacht. Aber auch der schwäbischen Seele wird ein Spiegel vorgehalten: Wie ist das Bild eines zu tief im Schwäbisch Versunkenen und wofür steht die Abkürzung VS? Nicht auf dem Autokennzeichen, aber auf der Autobahn ist das Kennzeichen des Wagens in der mittleren Spur ein B?
Im Kapitel “Königsvergleich: Preußen – Schwaben” wird es peinlich, so kündigt es der Titel an. Das gilt dem Aufstieg der beiden Königshäuser. Denn beide Adelsfamilien haben ihren Weg mit nicht ganz einwandfreien Mitteln erstanden. Der historische Vergleich verdeutlicht, wieso die Hohenzollern ihre Schlösser zurückhaben möchten und, dass Schwaben vor vielen Jahrhunderten bei Berlin lag. Vielleicht, so spekuliert man, hieß es einst Ulm, denn von der Bedeutung sind die Namen der Städte identisch.
Berlin in den 90er Jahren kann man nicht ohne Party denken. Nicht auszudenken waren die Partys im oberschwäbischen Stall, als der Kassetten-DJ ungewollt zugab, dass Alexander Borell mit “Ich habe ein Problem” zuvor den Inhalt des Tapes stellte.
Die Klischees wanken, klatschen zusammen und stürzen vor den lachenden Lesenden zusammen. Ein bisschen Kabarett ist in den als Briefe konzipierten Geschichten auszumachen. Die Kirche wird nicht ausgelassen und der Verweis geht auf den Zaubertrick, mit dem der Papst die Geißel der Menschheit bändigte:
„Wenn das meine Oma gewusst hätte. Sie hätte sich so viel weniger Sorgen gemacht, eine Erleichterung per Dekret. Denn die Kirche war da früher empfindlicher: Ewig hieß ewig, und das meinte sprichwörtlich für immer. Dann machte der Papst einmal Fidibus Verschwindibus und die Vorhölle ist weg.“
Aber das sprichwörtliche Gottesvertrauen markiert einen entscheidenden Unterschied zwischen Berlin und Schwaben. Die einen setzen auf offene Türen, die anderen auf Wildfremde. Bei der Integration rechnet man in Berlin mit Parallelwelten, in Schwaben spricht der türkischstämmige Schuhmacher besseres Schwäbisch, als der hochdeutsch geübte Schwabe.
“Schwaberliner – Kehrwoche auf dem Alexanderplatz” ist schreiend komisch und köstlich amüsant. Ein gutes Geschenk für alle Schwaben in Berlin und jene, die mit ihnen zu tun haben. Das Buch spielt lustig mit den Stereotypen und büßt kein Niveau ein. 110 Seiten vollgepackt mit witzigen Geschichten und urkomischen Verzerrungen. Wie sagt man in Schwaben so schön: Des macht Spasssssss!