Wangen im Allgäu | Orts- und Kirchengeschichte

Die wunderschöne Stadt Wangen im Allgäu und ihre Kirche St. Martin.

Die Stadt Wangen im Allgäu ist auf jeden Fall eine Reise wert. Die Altstadt, die unter Denkmalschutz steht, ist voller mittelalterlicher Gebäude und das umsäumende Allgäu ist ein wunderbares Wandergebiet.

Geschichte der Stadt Wangen im Allgäu

Vermutlich wurde Wangen durch die Alemannen oder die Franken gegründet. Der Name der Kirche, St. Martin, lässt die Franken wahrscheinlicher werden, da es sich um den fränkischen Nationalheiligen handelt. Daher ist auch anzunehmen, dass die Gründung der Siedlung im oder nach dem 5. Jahrhundert erfolgte.

Die erste Erwähnung des Ortes fand 815 als Wangun statt. Die Urkunde bezeugt, dass der freie Alemanne Hadubert dem Kloster St. Gallen einen Bauernhof und einen Wald schenkte. Der Name Wangen bedeutet so viel wie “Fleckchen Erde”, daher kommt der Name auch so häufig vor. Vielleicht hat sich dieser Name auch wegen der Schenkung durchgesetzt. Schon 770 bekam das Kloster in Hatzenweiler Güter. Damals war es die Mutter des Hadubert, Teotrada, die das Land verschenkte.

Im 10. Jahrhundert vermehrte das Kloster an der Stelle seine Besitzungen und daher brauchte es einen Verwalter. Bei einigen Klöstern, vor allem den benediktinischen Klöstern, nannte man diese Person einen Kellner. Dieser lebte auf einem Kellhof. Ein solcher Kellner mit seinem Kellhof gab es auch in Wangen. Dieser befand sich westlich des alten Friedhofs im Niederdorf. Dieser Kellhof bestand bis ins späte 12. Jahrhundert und bildete die Keimzelle des Ortes. Daneben gab es einen Maierhof, also der Hof eines Maiers – ebenfalls ein Verwalter, meist im Dienste des Adels. Die Herrschaft übten zunächst die Udalrichiger, dann die Grafen von Pfullendorf und ab 1191 die (Hohen-)Staufer in dem Gebiet aus. Ab dem 13. Jahrhundert gab es dann nur noch einen Werkmeister. Auch das war ein Verwalter.

Im 12. Jahrhundert wurde der Ort als “Wanga” bezeichnet und ebenfalls in diesem Jahrhundert entstand auf Ansinnen des Klosters St. Gallen ein Marktplatz in Wangen. Der Markt fand immer freitags statt und wurde 1330 auf Mittwoch verlegt. Die Einkünfte durch den Markt führten zur Ausdehnung des Ortes, dabei wurden Kaufleute und Handwerker angesiedelt. Die Oberstadt entstand. Ab dem 13. Jahrhundert heißt der Ort dann offiziell Wangen, urkundlich 1267 erwähnt. Seit 1936 ist es im Übrigen Wangen im Allgäu.

Die Stadtmauer wurde zu Beginn oder Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet. Sie bestand aus Steinen aus der Argen und reichte bis zu acht Meter hoch. Darauf befand sich ein Wehrgang, wie man ihn heute noch in Isny sehen kann. Drei der vier Tore der mittelalterlichen Altstand zeigen heute noch die Grenzen des damaligen Ortes auf. Dabei handelt sich um das Pfaffentor oder das Ratloch (weil es sich neben dem Rathaus befand), das Sweglartor oder Lindauer Tor oder Martinstor (1347/1608), das Kimpflertor oder Ravensburger Tor (1472/1608) und das Schmiedgasser Tor oder Peterstor oder Leutkircher Tor. Letzteres wurde 1842 abgerissen. Im Zentrum der Oberstadt befindet sich die Herrenstraße als Hauptachse des für den Verkehr wichtigen Ortes. Denn durch Wangen zogen sich die Handelsrouten zwischen Oberschwaben und Italien. Der Ort war für die Handelsstädte Ravensburg, Lindau, Leutkirch und Isny das Tor nach Süden.

Schon 1217 unterstellte der König (ab 1220 Kaiser) Friedrich II., ein Staufer, Wangen dem König und damit dem Reich. Urkundlich wurden Bürger erwähnt und Wangen wurde 1217 zur Stadt erhoben. Damit wurde ein Reichsvogt der Stadt Wangen übergeordnet – wieder ein Verwalter. Das Amt verpfändete man 1241 an den Schenken Rudolf von Tanne. Im Jahr 1267 ging das Amt an Berchtold von Falkenstein, der Abt in St. Gallen war. Das führte zu Konflikten mit der Stadtbevölkerung, da man nicht mehr dem Reich und Kaiser unterstand. Es zog auch einen Krieg zwischen dem Kloster St. Gallen und der Stadt Wangen nach sich. Das änderte sich 1286 wieder und Wangen wurde zur offiziellen Reichsstadt nach Überlinger Vorbild. 1348 kaufte man die verpfändete Vogtei vom Grafen von Montfort zurück und ab 1402 verfügt man über den Blutbann (das Recht, Todesurteile zu fällen). Wangen war auch der Gerichtsort für die Leutkircher Heide und Sitz des Kanzlers des Ritterkantons Hegau-Bodensee-Allgäu. Bis 1608 befreite man sich gänzlich von der Vorherrschaft des Klosters St. Gallen. Das Kloster stellte über lange Zeit beispielsweise den Ammann, eine Art Bürgermeister oder vielmehr ein Verwalter.

Da Wangen verkehrstechnisch gut gelegen war, expandierte die Stadt, was zu Erweiterungen des Stadtgebiets führte. Das Niederdorf ging in der Stadt auf. In Wangen selbst dominierte der Handel mit Sensen und Leinentuch. Letzteres war auch im Kloster St. Gallen von Bedeutung. Durch die Einnahmen konnte die Stadt Wangen viele Güter außerhalb ihrer Stadtgrenzen erwerben. Im 14. Jahrhundert erwarb man beispielsweise Deuchelried. Außerdem verpflichtete man sich in Bündnissen, wie dem Schwäbischen Städtebund (1349 bis 1379) und ab 1362 dem Seebund, was Wangen in einige Konflikte zog.

So auch im Jahr 1389. Damals versuchte der Truchsess von Waldburg (Johannes II.) Wangen einzunehmen. Dies misslang nicht nur, er wurde auch ein Gefangener der Stadt. Bis zur Säkularisierung 1803 gab es diesbezüglich jedes Jahr eine Dankesprozession. Sieben Jahre nach der Erneuerung des Seebunds brach Wangen 1477 den Vertrag und verbündete sich mit der Stadt St. Gallen. Elf Jahre später wurde diese Kooperation zwangsweise beendet, denn der Kaiser erließ die Reichsacht. Damit war Wangen vogelfrei. Danach trat man dem Schwäbischen Bund bis 1534 bei.

Ab dem Jahre 1306 wird ein Rat erwähnt. Ab 1350 gab es eine Zunftverfassung, wobei der Bürgermeister aus deren Mitte gewählt wurde. Im Jahr 1552 wurde die Vormacht der Zünfte in der Stadt gebrochen und die Patrizier übernahmen die Macht. Dafür sorgte vor allem der damalige Kaiser Karl V.

Der Dreißigjährige Krieg ging auch nicht ganz spurlos an Wangen vorbei. Die Schweden und die Pest entvölkerte die Stadt. Im Anschluss gelangte Wangen wieder zur Österreich und stand unter der Verwaltung der Landvögte Schwabens mit Sitz in Weingarten (Altdorf). Die Verwaltung wanderte nach Neuravensburg ab, was teils auch unter der Herrschaft der Grafen von Montfort stand. Die Stadtverfassung war ab 1678 ein Zankapfel. Der Streit wurde erst 1718 durch den Kaiser entschieden.

Nach der Säkularisierung wurde Wangen nach Bayern verortet und ab 1810 gehörte es zu Württemberg. Ab 1880 fuhr die Eisenbahn durch die Stadt und brachte neuerlichen Aufschwung mit sich. Vor der Nazi-Herrschaft lebten in Wangen viele Menschen jüdischen Glaubens, die dann abgewandert sind, obwohl Wangen sich gegen den Antisemitismus wandte.

Im April 1945 war Wangen im Bann des sogenannten Volkssturms und der Wehrmacht. Sie sprengten einige Brücken, in der Hoffnung, die französischen Truppen aufzuhalten. Doch Wangen wurde von der französischen Armee befreit. Dies geschah per Telefon. Die französischen Truppen forderten in dem Gespräch die Aufgabe und die Wehrmacht flüchtete.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Wangen ein eigenes Kennzeichen: WG. Inzwischen gehört es zum Landkreis Ravensburg (RV). Dennoch ist der Ort seit Jahren eine Große Kreisstadt.

Kirche St. Martin in Wangen

Die Auswahl des Schutzheiligen St. Martin lässt darauf schließen, dass der Ort unter fränkischer Herrschaft gegründet wurde. Unklar ist, wann das genau war, und das betrifft auch das Erbauungsjahr der Kirche St. Martin. Übrigens sind der Heilige Gallus (mit Verweis auf die geschichtliche Verbindung zum Kloster St. Gallen) und der Heilige für das Allgäu, Magnus, ebenfalls Schutzpatronen der Kirche. Das Patronat hatte das Kloster St. Gallen inne. Im Jahr 1608 bekam der Stadtmagistrat diese Ehre.

Man glaubt, den Bau zeitlich in das 8. Jahrhundert, spätestens 820, einordnen zu können. Eine urkundliche Erwähnung fand 1182 statt. Von der damaligen Kirche ist heute nichts mehr zu sehen, sie wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert. Der Kirchturm verfügt noch über eine spätromanische Grundkonstruktion, erbaut aus Findlingssteinen. Im Jahr 1739 schlug ein Blitz ein und das Dach brannte ab.

Weitere romanische Spuren findet man in der östlichen Giebelwand des Langhauses. Der Chor im Stil der Gotik wurde 1386 gefertigt. Die drei Kirchenschiffe der Basilika wurden im 15. Jahrhundert errichtet und über die Jahrhunderte mehrfach im Stil der Zeit abgeändert. Die innere Bemalung ist neogotisch, womit man 1898 begann.

Die Kirche war reich, man stiftete einige Kaplaneien und 1470 auch eine Prädikatur. Die Reformation war nur kurz ein Thema in der ansonsten katholischen Kirche. Barockes findet man nur wenig in dem Gotteshaus, so beispielsweise die barocken Seitenaltäre.

Wo befindet sich die Kirche St. Martin?

  • Marktplatz 4
  • 88239 Wangen im Allgäu

 

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